
Heute erinnert nur noch ein Denkmal an die während der Reichsprogromnacht ausgebrannte und später abgerissene Synagoge von Fürth. Bereits ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich die jüdische Gemeinde Fürths zu eine der bedeutendsten in ganz Süddeutschland. 1617 begann man mit dem Bau der größten und bis zu ihrer Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 der zugleich wichtigsten Synagoge (jiddisch Schul) in Fürth: die Hauptschul, später auch Altschul genannt. Sie befand sich auf dem Schulhof, auf dem auch eine Talmud-Schule, eine kleinere Neuschul von 1697, sowie die 1896 errichtete Mannheimer-Schul untergebracht war. Außerdem gab es neben den vier Synagogen noch die Gemeindekanzlei mit angrenzender Bibliothek, eine Rabbiner- und eine Hausmeisterwohnung, eine eigene Schächterei, sowie eine Mikwe.
Dr. Jakob Immanuel Neubürger
Langjähriger Rabbiner der liberalen jüdischen Gemeinde Fürths war in der Zeit des Ersten Weltkriegs Dr. Jakob Immanuel Neubürger. Dieser war am 12. April 1847 als neuntes und letztes Kind des Schul- und Religionslehrers Salomon Neubürger (1792 – 1871) und seiner Frau Amalie, geb. Schwarz (1803 – 1879), in Oettingen geboren worden, wo er ab Oktober 1859 auch die Lateinschule besuchte. Anschließend war er ab August 1862 Schüler am Gymnasium in Würzburg und besuchte parallel dazu die Talmudschule des orthodoxen Würzburger Distriktrabbiners Seligmann Bär Bamberger (1807 – 1878). Im April 1864 folgte dann der Umzug nach Mainz, wo er Teil des Studienkreises um den Rabbiner Marcus Lehmann (1831 – 1890) wurde und ein Jahr darauf am dortigen Gymnasium sein Abitur absolvierte.
Im Anschluss begann er ein Philosophie-Studium an der Universität in Berlin und besuchte den Talmudunterricht von Michael Landsberger am dortigen Beth Midrasch. Außerdem war er Hörer an der 1783 gegründeten Veitel Heine Ephraim’schen Lehranstalt. Nach zwei Jahren wechselte er im November 1867 an die Universität von Breslau, wo er am jüdisch-theologischen Seminar den Titel des Morenus, des religiösen Lehrers, erhielt. Am 4. August 1868 promovierte er dann an der Universität in Halle mit einer Dissertation über den um 50 n. Chr. geborenen Rabbiner Akiba ben Josef.
Im Januar 1871 wurde er Substitut des berühmten Fürther Oberrabbiners Dr. Isaak Loewi (1803 – 1873), der sich maßgebend gegen die orthodoxe Auffassung des Judentums durchsetzte und Fürth zu einer liberalen Gemeinde reformierte. Diese neue Einstellung, die einen großen Schritt zur Integration der jüdischen Bevölkerung bedeutete, behielt auch Dr. Jakob Immanuel Neubürger bei, als er im Februar 1873 Dr. Isaak Loewi als Stadt- und Bezirksrabbiner von Fürth folgte. 1875 heiratete er Rosa Hartmann mit der er 5 Kinder hatte.
[…] „Der hiesige israelitische Kultusgemeinde hat den Verlust ihres hochangesehen Rabbiners Dr. Neubürger zu beklagen. Stadt= und Bezirksrabbiner Dr. phil. Jakob Immanuel Neubürger wurde am 12. April 1847 in Oettingen im Ries geboren, wo sein Vater Lehrer war; er ist also fast 75 Jahre alt geworden. Der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde stand er seit 5. Februar 1871, also über 51 Jahre, vor. Er galt als ein hochgelehrter Mann, einige behaupteten sogar, er sei der gelehrteste Mann von Fürth gewesen, der u. a. nicht nur den Pentateuch (die 5 Bücher Moses) in der Ursprache vollkommen auswendig kannte, sondern auch andere Disziplinen der Wissenschaft (Philosophie; Philologie, Literatur, Geschichte usw.) in glänzender Weise beherrschte.
Dabei war der Heimgegangene ein Vorbild von Bescheidenheit, schlichter Würde und menschlicher Güte. Am human. Gymnasium war er als Religionsprofessor tätig. Im Juni 1886 war er der Retter eines Kindes aus der hochgehenden Pegnitz. Dr. Neubürger musste durch viele Leidenswege gehen. Im Kriege büßte er einen Sohn ein, der bereits Amtsrichter war, 1902 mußte er eine Staroperation durchmachen, zuletzt nahm ihm ein Blasen= und Darmleiden die Lebenskraft, am Freitag Vormittag verschied er sanft in den Armen der Gattin und des Sohnes. Heute nachmittag wird er auf dem hiesigen alte israelitischen Friedhof beerdigt.“
Wie seine Vorgänger auch, wurde Dr. Jakob Immanuel Neubürger auf dem Alten Jüdischen Friedhof in der Fürther Innenstadt und nicht auf dem bereits bestehenden NEUEN JÜDISCHEN FRIEDHOF an der Erlanger Straße beerdigt. In seiner Rede schilderte der Nürnberger Rabbiner Dr. Max Freudenthal (1868–1937) „den Charakter des Verewigten, dessen Grundzüge er die Einfachheit, die Abneigung gegen jeden äußeren Schein und die Treue bezeichnete.“ ² Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde sein Grab geschändet, sodass sich der Grabstein heute auf dem Neuen Jüdischen Friedhof befindet.
